Sonntag, 20. Juni 2021

30.-34. Woche: 12.03.-10.04.2021

Meine Zeit in Jerusalem neigt sich langsam dem Ende zu. Nach Ostern werde ich nach Tabgha, in den Norden Israels, wechseln.

Arbeitstechnisch hat sich eigentlich nichts geändert. Die letzten Wochen waren allerdings geprägt von einer neuen Lebensfreude, durch die Lockerungen der Covid-Massnahmen und damit verbunden, auch sehr viele neue Bekanntschaften und gute Freundschaften. Aufgrund der Pandemie sind viele Volontäre alleine in ihren Einrichtungen und es entsteht natürlich der Drang mit anderen, gleichaltrigen Zeit zu verbringen. Somit haben die meisten von uns Volontären jede Gelegenheit genutzt die Anderen kennenzulernen. Zu meinen besten Freundschaften gehören die zwei Österreicher Matthias (Österreichisches Pilger-Hospiz) und Otto (Leo Beck Institut). Wir haben uns über große Zufälle gefunden und viel gemeinsam erlebt. 

Unser prägnantester gemeinsamer Ausflug war ein Wochenende in der Negev-Wüste. Wir haben das Auto des Rektors vom Österreichischen Hospiz ausleihen dürfen und sind am Freitag vor Ostern mit Sack und Pack Richtung Süden gefahren. Die Reise führte uns wieder durch Be‘er Sheva, über den nächtlichen Highway, nach Mitzpe Ramon (schon während der Anreise sind verrückte Dinge passiert, über die wir immer noch gemeinsam lachen). Von dort fuhren wir über einen schmalen Weg zur ägyptischen Grenze, wo wir in einer kleinen Senke zwischen den Dünen, mit einigen Shabbat-Urlaubern, unsere Zelte aufschlugen. Wir verbrachten die Nacht am Lagerfeuer dreier junger Israelis und hatten sehr interessante Gespräche. Den klaren, leuchtenden Sternenhimmel, die reine Stille, die unangenehme Kälte und den kraftvollen, roten Sonnenaufgang der Wüste werde ich nie vergessen. 

Mit drei Stunden Schlaf und abgefrorenen, ungeduschten Körpern, hielt sich die Lebensfreude initial in Grenzen. Nach einem ausgedehnten Frühstück in der warmen Sonne Mitzpes und den Blick auf den vor uns liegenden Tag gerichtet, sah die Welt aber wieder ganz anders aus und wir fuhren mit frischer Energie neuen Welten entgegen. Unsere Reise führte uns zum Highway 10, einer 30km langen Straße, direkt an der Sinai-Grenze zu Ägypten, welche normalerweise militärisches Sperrgebiet ist. Zweimal im Jahr ist es aber möglich den Highway, unter starker militärischer Bewachung und vielen Kontrollen, zu befahren. Hier gereichte es uns zum Vorteil, dass unser Wagen ein Diplomaten-Kennzeichen hatte. Anstatt also kontrolliert zu werden und gefragt zu werden, wo wir denn gedenken würden hinzufahren, erkundigten sich die Militärs nach unserem Wohlergehen und wünschten uns eine angenehme Weiterreise. Somit genossen wir völlig stressfrei die erbarmungslos schöne Landschaft der Sinai Region und den Blick in die strengen Ebenen und Berge Ägyptens. Am finalen Checkpoint am nördlichen Ende der Straße trafen wir zufällig die drei Israelis vom Vorabend wieder und wurden mit einem zweiten Frühstück beschenkt, während neben uns die Soldaten mit ihren Waffen rumliefen und all die Leute kontrollierten, die, genau wie wir, die landschaftlichen Vorzüge des Highway 10 genießen wollten. 

Wir setzte unsere Reise fort in Richtung Küste. Nach einer Stunde Fahrt, in der die Umgebung von „Dreck und Sand soweit das Auge reicht“ zu angenehmer Mittelmeer-Flora wechselte, fanden wir uns plötzlich auf einem Hügel bei Sderot wieder. Vor uns erstreckten sich zwei riesige Zäune mit Stacheldraht und dahinter Gaza-City und die Mittelmeerküste. Man vernahm das leichte rauschen der Stadt, den fernen Gebetsruf eines Muezzins, das säuseln des Windes auf den grünen Wiesen und das sonore Summen israelischer Drohnen. Es war ein friedlicher Moment, am Rande eines Molochs, welches von Krieg, Unterdrückung und Mangel geprägt ist. Es herrschte eine surreale Stimmung als wir durch Sderot und Erez nach Zikim an den Strand fuhren. Wunderschöne Villenviertel mit sattgrünen Vorgärten und Liegestühlen, nagelneue Straßen und sprießende Flora. Dazwischen gepanzerte Bushaltestellen, Spielplätze mit Luftschutzbunkern, tarnfarbene Humvees und Väter mit Kippa auf dem Kopf, Kind an der Hand und M16 über der Schulter. Wir hatten die ganze Zeit die Bilder aus Gaza im Kopf, welche man aus den Nachrichten kennt. Am Meer genossen wir frisch erworbene Falafel und begaben uns, während unserer Gepräche über das Gesehene, auf Sinnsuche. Wir fanden nur wenig bis keinen Sinn und genossen lieber den energiegeladenen Sonnenuntergang während eines Strandspazierganges entlang von Stacheldraht, den Blick auf die rot erleuchteten Hochhäuser Gazas gerichtet.


freundliche Bewirtung und gute Gespräche


warten auf den Sonnenaufgang


aufwärmen am Morgen


die Diplomaten-Karosse des Österreichischen Hospiz

Blick über den Grenzzaun auf die Sinai-Halbinsel

die grüne Landschaft vor Gaza

die malerischen Strände zwischen Aschkelon und Gaza


29./30. Woche: 28.03. - 12.03.2021

Zum Glück hat Israel so eine wirkungsvolle Impfkampagne gefahren. Somit ist das Land schon fast wieder bis zur Normalität gelockert. Das einzige was fehlt sind die Touristen (auf die kann ich persönlich aber auch noch ein wenig länger verzichten). Aber so konnten sich die Christen im Heiligen Land auf eine schöne Osterzeit freuen, denn Veranstaltungen und Gottesdienste fanden statt. So auch zum Beispiel die Palmsonntagsprozession, vom Ölberg durch das Hinnom Tal, durchs Löwen Tor, bis zur St. Anna Kirche. Die Volontäre aus Tabgha sind auch extra angereist und so haben die Mönche und ich uns Palmzweige aus dem Garten geschnappt und sind in Richtung Ölberg aufgebrochen. Dort erwartete uns eine große Menschenmenge (man versicherte uns, dass das gar nichts sei, verglichen zur präpandemischen Zeit). Es war etwas ungewohnt unter so vielen Menschen, dicht gedrängt zu stehen, aber wir genossen es. Begleitet wurde die Prozession vom Jerusalemer Patriarchen, vom Nuntius und vom franziskanischen Custos des Heiligen Landes. Neben Zivilisten sah man auch viele Ordensleute. Besonders stachen die fidelen Franziskaner heraus, die während der dreistündigen Prozession keine Minute vergehen ließen, in welcher sie nicht getanzt und musiziert haben. Wir kamen kaputt, verschwitzt und sonnenverbrannt zurück in die Dormitio. 

da steppt der Bär

Aussicht vom Ölberg über Jerusalem

die große Prozession


28. Woche: 19.03. - 27.03.2021

Auch in Israel habe ich mich bemüht in die Luft zu kommen. Meine Recherchen und Kontakte resultierten dann in einem Wochenende in der Negev-Wüste und einem Tag auf dem Flugplatz Be‘er Sheva beim Negev Gliding Center. Es tat gut nach langer Zeit mal wieder auf einem Flugplatz zu stehen und die Flugzeuge und den Lärm um sich herum zu haben. Einer der Piloten hat mich in seinem Segelflugzeug mitgenommen und wir haben gemeinsam geschaut, was die Atmosphäre so für uns zu bieten hat. Ich habe gemerkt, dass ich lange nicht geflogen bin (mir ist etwas schwummerig geworden) aber nachdem ich das Steuer übernommen hatte, gewöhnte ich mich schnell wieder und habe ein wenig mit der aufsteigenden Luft herum experimentiert.Be‘er Sheva ist das Tor zur Wüste. Das habe ich schon im Auto schnell gemerkt. Wenn man von Norden aus Jerusalem oder Tel Aviv kommt, fährt man (gerade im Winter) durch eine grüne Hügellandschaft, bis in die Stadt hinein. Wenn man die Stadt aber nach Süden wieder verlässt ist man in der reinsten Wüste. Keine Bäume, keine Büsche, nur Dreck. Auch aus dem Flugzeug heraus sieht das faszinierend aus. Wir sind etwa 90 min in der Umgebung umher geflogen und haben die Aussicht genossen. Wir konnten sogar die Mittelmeerküste am Horizont erkennen. Bei genauerem Hinsehen auch Ashkelon und daneben den Gaza Streifen. Südlich von Be’er Sheva haben wir auch den riesigen Militärflugplatz Hatzerim gesehen. Da wird einem doch etwas unheimlich, wenn man sich in diesen Lufträumen bewegt. Vier Tage später habe ich dann noch in den Nachrichten gelesen, dass eine Rakete aus dem Gaza Streifen in der Nähe von Be‘er Sheva eingeschlagen ist, als Netanyahu dort war. Da fliege ich dann doch lieber in Deutschland...

Ich habe dann in der Nähe von Mitspe Ramon auf einem Campingplatz übernachtet und bin am nächsten Tag mit dem Auto zum Ramon gefahren. Ein 30 km langer und 10km breiter, durch Erosion entstandener Krater, im Süden Israels. Ein wirklich beeindruckendes Gefühl, am Rande dieses riesigen Naturgebildes zu stehen und alles zu überblicken, mit dem Wind als einziges Geräusch weit und breit. 

In Gegenden wie dieser, kommen so ungewohnte topografische Formen zu Stande, die wir in Deutschland bzw. Europa garnicht finden. Dadurch, dass es keinen Bewuchs gibt, sondern das Gestein und der Sand unbefestigt sind, wäscht der Regen und der Wind mit der Zeit alles aus und gibt so der Wüste einen einzigartigen Charakter. So schön und beeindruckend das alles auch ist, am Abend habe ich mich dann doch gefreut wieder Richtung Norden zu fahren und mich wieder von Wiesen und Bäumen umgeben zu sehen. Eigentlich unglaublich, wenn man sich überlegt, wie nah diese beiden Landschaften aneinander liegen.

30.-34. Woche: 12.03.-10.04.2021

Meine Zeit in Jerusalem neigt sich langsam dem Ende zu. Nach Ostern werde ich nach Tabgha, in den Norden Israels, wechseln. Arbeitstechnisch...