Mittwoch, 28. April 2021

26./27. Woche: 04.03. - 18.03.2021

Meine Arbeit ist nun zu einer etwas handwerklicheren Tätigkeit übergegangen. Ich baue mit den Mitarbeitern gemeinsam den ehemaligen Shop zurück, nachdem wir alle Produkte ausgeräumt hatten. Konkret bedeutet das: aus Einbauschrank mach Ausbauschrank.
Daneben standen auch wieder diverse Ausflüge an. Ich versuche jedes Wochenende irgendwohin zu fahren und etwas zu entdecken. Da mir die Umgebung des Toten Meeres sehr gut gefallen hat und mir der Ort Masada empfohlen wurde, habe ich das kurzerhand zum Tagesausflug erklärt. 
Masada ist ein Tafelberg am Toten Meer, auf welchem sich Herodes einst ein Winterdomizil errichten lassen hat. Der Berg selber ist sehr beeindruckend und der 45 minütige Aufstieg wird mit einer fabelhaften Aussicht auf die Judäische Wüste im Westen und das Tote Meer und die Jordanischen Berge im Osten belohnt. Die große Anlage Herodes‘ ist noch erstaunlich gut erhalten und man kann sich lebhaft vorstellen wie er auf seiner wunderschönen Terrasse gesessen hat und die Aussicht und die winterlichen 25°C  genossen hat. Mir haben die spätwinterlichen 28°C beim Aufstieg etwas zugesetzt, aber da außer mir niemand oben war, konnte ich einfach ein kleines Nickerchen im Schatten einer 2000 Jahre alten Mauer machen. 
Ein paar Tage später stand ein Wochenende in Tel Aviv an. Gemeinsam mit den Volontären aus Tabgha, habe ich ein AirBnB direkt am Rothschild Boulevard gemietet. Wir haben sehr die Arbeits- und Gebetfreie Zeit genossen in der wir machen konnten was wir wollten. Wir haben uns Jaffa angeschaut, waren viel am Strand und haben das Treiben des Rothschild Boulevard von unserem Balkon aus beobachtet. Uns ist ein signifikanter Unterschied des Straßenlärms vom Shabbat zum ersten Arbeitstag aufgefallen. Am Shabbat hat man kaum Autos und Busse gehört, hauptsächlich Menschen die sich unterhalten haben oder Musik gemacht haben und den Shabbat auf den grünen Wiesen des Boulevard genossen haben. Am Sonntag (dem ersten Arbeitstag) ging dann der starke Verkehr, die Busse und die Müllabfuhr mit voller Kraft wieder los und hinderte uns am Ausschlafen.
Auf unseren Trip hat uns auch eine deutsche Volontärin begleitet, die über Umwege Kontakt zu uns bekommen hat und die wir an diesem Wochenende zum ersten Mal getroffen haben. Es hat sich ein toller Kontakt zu ihr entwickelt und wir freuen uns auch, etwas aus unserer Dormitio/ Tabgha Blase herauszukommen und noch andere Volontäre kennenzulernen. Eine Sache, welcher die Pandemie wohl zuträglich ist. Es gibt viel weniger Volontäre innerhalb der einzelnen Organisationen und oft arbeiten Volontäre auch alleine. Dadurch kommen viele Kontakte zu Volontären anderer Organisationen zu Stande, was eine große Horizonterweiterung (zumindest bei mir) darstellt. Ich merke erst jetzt, auf welch vielfältige Art und Weise man als deutschsprachiger ein Jahr in Israel verbringen kann und was für Motivationen dahinter stehen. 
Ein Wochenende später bin ich nach Haifa gefahren und habe in der Organisation der erwähnten Volontärin übernachten können (ein weiterer Vorteil von weitreichenden Bekanntschaften). Am Tag darauf haben wir uns gemeinsam Nazareth angeschaut. Eine arabische Stadt in Israel mit lebendigem Zentrum und vorzüglichem Essen. Das Herzstück ist wohl die Kirche der Verkündigung Mariens, welche im späten 20. Jhd. gebaut wurde und eine dementsprechend unästhetische Architektonik aufweist. Im Vorhof hängen große Mosaiktafeln mit verschiedensten Marienbildnissen, welche von diversen Nationen gestiftet wurden. Von Deutschland über Frankreich bis Bolivien war alles dabei. Als ich die Tafel der Schweiz gesucht habe, bin ich auf ein, mir wohl bekanntes, Bild gestoßen. Die schwarze Madonna und das Kloster Einsiedeln. Ich war entsprechend überrascht und überaus erfreut diesen Ort, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, hier im Nahen (und doch so fernen) Osten zu entdecken.

25./ 26. Woche: 14.02. - 01.03.2021

Erstaunlicherweise ist nun auch in Jerusalem der Winter angekommen. Zum Glück ist er aber nur für ein paar Tage geblieben. Es hat aber ausgereicht um der Hauptstadt Israels einen Tag lang Schnee zu bescheren. Da dieses Ereignis (man könnte hier fast schon Phänomen sagen) seit Jahrzehnten nicht mehr eingetreten ist, waren die Menschen entsprechend aus dem Häuschen. Und da Israel aufgrund mangelnder Erfahrung nicht mit Schnee umgehen kann, versank die Stadt für einen Tag im Chaos und es fiel sogar die Schule aus. Bei 5cm Schneematsch. 
Der Tempelberg und besonders der Felsendom, überzogen mit einer dünnen Schicht Schnee, sind ein wunderschöner, außergewöhnlicher Anblick, den wahrscheinlich die wenigsten Menschen bisher erlebt haben.
Die nasse Kälte hat die zwei Novizen der Gemeinschaft der Dormitio aber nicht davon abgehalten, eine Messe im Grab Jesu zu reservieren und früh morgens um 6 Uhr mit mir zusammen durch den Regen zur Grabeskirche zu stiefeln. Es ist ein wahrliches Privileg das, normalerweise völlig überlaufene und sehr unandächtige, Heiligtum der Christenheit, einmal ganz und gar ohne Touristen zu erleben. Und noch dazu um diese Uhrzeit, wenn erst die Kopten ihre Gebete verrichten und dann die Russisch Orthodoxen mit Ihren beginnen. Es hallt ein Klang in dieser Kirche, den man von unserem abendländischen Katholizismus nicht gewöhnt ist. Der Gedanke, dass wir trotzdem zur selben Religion gehören ist interessant. Das macht für mich die Schönheit dieses Gotteshauses aus. Äußerlich eigentlich unästhetisch und irgendwie verbastelt, aber so stellt es für mich das Leben und die Realität unserer Religion dar. Nicht gerade und perfekt sondern bunt, durcheinander und mit allerlei Macken und Verschrobenheiten. Und jeder kommt in dieses Gotteshaus so wie er ist und kann dort beten so wie er eben betet. Abendländisch, morgenländisch, römisch, orthodox, laut oder leise. So haben wir als Christen ein religiöses Zentrum, in dem unser Glauben seinen Ursprung hat und alle Facetten und Wege die er gegangen ist, wieder zusammen kommen. 
Bis auf die Protestanten. Die beten 200 Meter weiter in Ihrer eigenen Kirche. 
So feierten wir zu dritt, auf zwei Quadratmetern in der Ädikula, dem heiligen Grab, eine 30 minütige Messe. 
Anschließend haben wir uns noch, aufgrund der Uhrzeit und der Kälte, einen heißen Kaffe und Gebäck gekauft. Dabei wurde mir von Pater Efrem erklärt, dass nicht nur Alkohol (Messwein) zu unserer Religion gehört, sondern auch Kaffe eine wichtige Rolle im koinobitischen Mönchtum spielt (siehe Äthiopien).  Anders hält man wohl die Vigil nicht aus schätze ich.

30.-34. Woche: 12.03.-10.04.2021

Meine Zeit in Jerusalem neigt sich langsam dem Ende zu. Nach Ostern werde ich nach Tabgha, in den Norden Israels, wechseln. Arbeitstechnisch...